Working Out Loud: Ziele und strategisches Networking

Was ist Working Out Loud?

Wer hat nicht in den letzten Monaten vermehrt von der WOL – Working Out Loud – Bewegung gelesen und sich gefragt, was das ist? Die Bewegung ließ sich vor allem bei Twitter gut beobachten. Infos und begeisterte Stimmen häuften sich dort unter dem Hashtag WOL.

Umso erfreuter war ich, als die Digital Media Women Stuttgart das Thema in einem ihrer Veranstaltungsabende aufgegriffen haben. Katharina Krentz, eine von fünf WOL-Coaches, nahm uns an dem Abend mit auf eine inspirierende Reise in Working Out Loud.

Working Out Loud – eine Methode

Die Grundlagen der Methode sind schnell erklärt. Der Begründer John Stepper hat für einen Einblick ein kurzes Video bereitgestellt, das ich in der Illustration visualisiert habe.

290319-illustration-workingoutloud.png

Bis zu fünf Personen treffen sich für 12 Wochen jede Woche für eine Stunde. Die Gruppe arbeitet in der Zeit mithilfe von Arbeitsmaterial gemeinsam an den individuellen Zielen ihrer Teilnehmer. Die Gruppe unterstützt sich gegenseitig.

Mit der Methode soll die hierarchie- und abteilungsübergreifende Zusammenarbeit in Unternehmen gestärkt werden. Die Teilnehmer tauschen ihr Wissen aus und entwickeln sich persönlich weiter. Das Äquivalent zu solch einer Gemeinschaft trägt im Wissensmanagement die Bezeichnung Communities of Practice.

Ein weiterer Aspekt, der John Stepper sehr wichtig ist, ist das strategische Networking. WOL hilft bewusst dabei, dass sich die Teilnehmer mit Personen vernetzen, die für die Erreichung ihrer Ziele eine Unterstützung sind.

Im Gespräch mit Birgit Nüchter

Birgit Nüchter hat mir einige Fragen zu WOL und der Integration in ihren Arbeitsalltag beantwortet. Birgit Nüchter ist Business Coach und begleitet Führungskräfte in Situationen der Veränderung und bei der Karrieregestaltung. Sie hat ihren ersten WOL-Circle durchlaufen und berichtet auf ihrem Blog über ihre Erfahrungen.

Ich: Gesa, Katharina und du, ihr habt uns mit dem März-Netzwerk-Event der Digital Media Women Stuttgart alle für Working Out Loud begeistert. Du hast vor kurzem bereits selbst deinen ersten Circle absolviert. Was ist für dich der große Gewinn von WOL?

Birgit: Es gibt nicht unbedingt den EINEN großen Gewinn für mich. Es sind mehrere Aspekte, die in der Summe die Erfahrung mit meinem ersten WOL-Circle so wertvoll gemacht haben.

Ich bin in den Social Media Kanälen öffentlicher geworden und damit auch gleichzeitig offener. Wer öfter postet, bei anderen Beiträgen regelmäßig Kommentare abgibt und Likes verteilt, wird mehr gesehen und zeigt mehr von sich. Dabei gehe ich nicht wahllos vor. WOL bietet vielmehr ein sehr gutes Gerüst dafür, wie man vorgehen kann. Aufgrund der Sichtbarkeit kommen dann wertvolle Netzwerkbeiträge zurück.

Ich hatte mir zu Beginn des WOL-Circle ein Ziel gesetzt, das ich nicht erreicht habe. Im Laufe der Arbeit mit der Gruppe wurde mir der Grund klar: mein anfänglich formuliertes Ziel ist keins, hinter dem mein Herz steht. Ich erreiche zwar gern meine Ziele, aber in dem Fall war es richtig gut, diese Erkenntnis zu haben.

Andernfalls hätte ich viel Zeit und Aufwand in etwas gesteckt, was vielleicht mangels Herzbluts nie geflogen wäre. Ich bin einem für mich besseren Ziel deutlich nähergekommen. In meinem nächsten WOL-Circle wird dieses Ziel mit Sicherheit ein Thema sein. Ohne die Auseinandersetzung mit den wöchentlichen Aufgaben und der Arbeit mit den Circle-Kollegen hätte ich für diese Erkenntnis deutlich länger gebraucht.

Als es in unserer Gruppe ein wenig gehakt hat (meistens liest man ja nur die tollen Erfolgsgeschichten und wenig über die Hürden), war ich ziemlich frustriert. Ich hatte alles so schön durchgeplant und war auch willens, den Zirkel in meinem Arbeitsalltag sehr hoch zu priorisieren. Ich bin wieder daran erinnert worden, dass im Team nicht immer alles rund läuft. Es lohnt sich aber daran zu arbeiten, gemeinsam ans Ziel zu kommen. Mit Hartnäckigkeit und Geduld hatten wir schließlich auch Erfolg. Den Erfolg haben wir durchaus hart erarbeitet, aber vielleicht war er deshalb noch wertvoller.

Wie kannst du diese Erkenntnisse bei deiner Arbeit als Coach künftig einsetzen?

Ein paar der Übungen aus den wöchentlichen Treffen kannte ich. Es sind vor allem die Übungen, bei denen man sich vorstellt, ein Ziel bereits erreicht zu haben. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie mächtig die Kraft der Vorstellung ist. Mit WOL habe ich es wieder am eigenen Leib erfahren. Die eigenen Erfahrungen helfen mir meinen Kunden diese Übungen anzubieten, denn so kann ich mit noch mehr Überzeugung sprechen.

Als Coach ist es sehr wichtig, dass ich mit meinen Kunden an einem echten und richtigen Ziel arbeite. Das war mir schon vor WOL klar. Ich weiß, dass die Coachings besser laufen, wenn wir ein richtig gutes Ziel definiert haben. Ich habe in meinem Zirkel aber auch gemerkt, dass ein Ziel, das vermeintlich gut ist, nicht unbedingt das Richtige sein muss. Einerseits war das nicht schlimm, denn es hat mir dennoch wertvolle Erkenntnisse gebracht. Bei der Arbeit mit meinen Kunden werde ich aber stärker auf die Zielformulierung achten und noch mehr Fragen zu den Zielen stellen als bisher. Je schärfer meine Kunden das Ziel für ein Coaching definieren können, desto effektiver ist das Coaching. In Beratungssituationen ist es ähnlich - je genauer der Bedarf definiert ist, desto besser kann die Beratung sein.

Du hast kürzlich eine Art Anleitung für Unternehmen als E-book veröffentlicht. Du zeigst auf, was ein Unternehmen tun kann, um Führungskräftenachwuchs zu fördern und ein attraktiver Arbeitgeber zu werden. Kann auch WOL einen Anteil zur Arbeitgeberattraktivät leisten? Welche weiteren Instrumente sind wichtig?

Das Buch wurde inspiriert durch die vielen Artikel und Nachrichten zum Thema Fachkräfte- und Führungskräftemangel. Viele Firmen vernachlässigen die guten Nachwuchskräfte, die sie im Haus haben. Gut aufgesetzte selbst gestaltete Förderprogramme sind wertvolle Instrumente, um den eigenen Nachwuchs und die eigenen Talente zu fördern. Gleichzeitig erhöhen solche Programme die Mitarbeitermotivation. Den Mitarbeitern wird gezeigt, dass sie Karriere in ihrem Unternehmen machen können – dort wo sie bereits sind, wo sie sich wohl fühlen und ihr Netzwerk haben. Das erhöht die Arbeitgeberattraktivität erheblich.

Der Bonus eines guten Förderprogramms ist, dass der Dialog zwischen Führungskräften und Nachwuchstalenten intensiver ist. Beide, Führungskräfte wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, setzen sich verstärkt mit ihren Zielen und Bedürfnissen auseinander. Sie lernen klar darüber zu sprechen und entwickeln eine Feedback-Kultur. 

WOL kann als ein Element dazu beitragen, dass der Arbeitgeber als attraktiv empfunden wird. Zu einem attraktiven Arbeitgeber gehören jedoch noch viele weitere Instrumente. Das Gehalt muss stimmen. Es muss zudem ein attraktives Umfeld geschaffen werden: Flexibilität bei der Arbeitszeit, Homeoffice bei Bedarf, Mitarbeiter in Entscheidungen einzubinden, transparente Kommunikation, das Etablieren einer Fehlerkultur und so weiter. Manche Unternehmen denken, es reicht, wenn sie einen Tischkicker aufstellen oder eine Fitness-Studio Mitgliedschaft subventionieren - das Schlagwort „New Work“ treibt hier manche Blüte. In der Regel ist es den Mitarbeitern aber viel wichtiger, eine sinnvolle Arbeit zu machen und Anerkennung für ihre Leistung zu erhalten.

Für alle, die Interesse an deinem Buch haben: an wen richtet es sich konkret?

Das Buch richtet sich an alle Führungskräfte, die sich mit dem Thema auseinandersetzen wollen und Ideen suchen, wie sie Führungsnachwuchs fördern können. Es richtet sich auch an Personalbeauftragte und Firmenchefs, die ein solches Programm etablieren wollen. 

Mehr Infos zum Buch und das Buch selbst gibt es bei Bookboon.

Vielen Dank, Birgit, für das Teilen deiner Erfahrungen!

Mein Fazit zur WOL-Methode

Vor allem für große Unternehmen scheint die WOL-Methode gerade sehr interessant, weil sie den informellen Wissensaustausch zwischen Mitarbeitern hierarchieübergreifend auf eine sehr strukturierte Art und Weise fördert.

Ein großer Vorteil für Unternehmen ist dabei sicherlich die damit einhergehende Innovationskraft. Mit dem Austausch und der Zusammenarbeit von Personen verschiedener Abteilungen werden Perspektiven gewechselt, andere Zusammenhänge aufgezeigt und neue Ideen freigesetzt, besprochen und weiterentwickelt.

Die Vorteile von Working Out Loud für Selbstständige und kleine Unternehmer ggü. anderen Gemeinschaften wie Mastermind-Gruppen sind mir noch nicht klar. Vorstellbar ist, dass die starke Struktur von WOL ggü. sonstigen Methoden einen Mehrwert für die Erreichung eigener Ziele bringt.

Um sich eine eigene Meinung bilden zu können, ist ein Selbstversuch vielleicht eine gute Idee? Eine Gruppe zu finden, geht auf Circlefinder spielend einfach. Ich bin dabei und wer weiß, vielleicht folgt künftig mein WOL-Nachbericht ...


eBook: Schritt für Schritt zu 15 Icons